zur Ausgabe 01-2017
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Nach einem NGE-Gemeindeprofil

Ein Praxisbericht von Oliver Schippers


Liebevolle Beziehungen sind der Minimumpunkt einer Gemeinde. Simple Lösungen helfen hier nicht weiter! 

Ein NGE-Gemeindeprofil zu erstellen ist ein wichtiger Schritt, um die Entwicklung einer Gemeinde neu auszurichten und Blockaden für Gottes Wirken zu erkennen. Aber es braucht mehr als die Darstellung von 8 Handlungsfeldern einer vitalen Gemeinde. Die Situation der Gemeinde umfassen zu verstehen ist wesenliche Voraussetzung, um hilfreiche Prioritäten für die weitere Gemeindearbeit zu setzen.

Anhand eines Praxisbeispiels stellt Oliver Schippers vor, wie er Gemeinden nach einem NGE-Gemeindeprofil begleitet und den Prozess weiterführt.

Der nachfolgende Artikel ist durch einen Besuch eines NGE-Teams in einer Gemeinde inspiriert. Er gibt aber nicht die Situation in allen Details wieder. Gerne darf sich in dem Bericht jede Gemeinde entdecken, die ähnliches erlebt.

NGE-Gemeindeprofil: Das "Blutbild" der Gemeinde

Haben Sie schon einmal Ihr Blutbild erstellen lassen? Dann wissen Sie, dass das Ergebnis Interpretation braucht. Einem Nicht-Mediziner sagen die Zahlenreihen auf dem Ausdruck der Blutwerte nicht viel. Und um den Arzt einen schnellen Überblick zu geben, werden von den Laboren die Normal- und Grenzwerte gleich hinzugefügt, Abweichungen in den Werten des Patienten markiert.
Ein guter Arzt wird aber nicht nur den Ausdruck betrachten und eine Medizin verschreiben. Er schaut sich den Patienten an, kennt sein Alter, misst den Blutdruck … er versucht ein ganzheitliches Bild zu erstellen, alle Symptome einzuordnen, ehe er nach einer gute Anamnese die Diagnose erstellt. Erst dann folgt der Therapieplan und die Therapie.

Vor einigen Wochen war ich zum Treffen des NGE-Teams einer kleinen freikirchlichen Gemeinde eingeladen. Man nannte mir 20:00 Uhr als Zeitpunkt unseres Treffen. Was ich nicht wusste, die Gruppe hatte sich bereits eine Stunde vorher zusammengesetzt, das NGE-Gemeindeprofil betrachtet und erste Schritte zur Weiterarbeit auf ein FlipChart geschrieben.

Die Diagnose schien klar zu sein. Das NGE-Gemeindeprofil wies klar “Liebevolle Beziehungen” als Minimumpunkt aus. Also schaute man in Büchern nach, welche Schritte eine Gemeinde nun gehen sollte, brainstormte zu möglichen Handlungsoptionen und füllte ein Blatt mit gut gemeinten Aktionen für die nächsten Monate: Predigtreihe über Liebe, Gebetsteams aktivieren, Seminarreihe “3 Farben der Liebe” gestalten, ein Ressortleiter “Liebevolle Beziehungen” solle benannt werden … Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Keine der aufgeführten Aktionen und Ideen ist an sich falsch! Aber würden sie der Gemeinde wirklich weiter helfen?

Keine Therapie ohne Diagnose! Keine Diagnose ohne Anamnese! Das NGE-Gemeindeprofil liefert nicht die Diagnose und es ist in keinem Fall schon die Therapie. Es ist wie der Bluttest: ein wesentlicher Schritt zu verstehen, was sich hinter den Symptomen – all den Beobachtungen der Gemeindeglieder zu ihrer gemeindlichen Situation – verbirgt. Das NGE-Gemeindeprofil schärft den Blick und hilft zu einer gemeinsamen “Sprache” über die Gemeindesituation”.

Das Team erwartete nach einer kurzen Vorstellrunde, dass ich ihre Ideen bewerte, priorisiere und vielleicht noch ein wenig ergänze. Ich bat sie aber, zunächst das Blatt weg zu hängen und “einen Schritt innerlich zurückzutreten”.  Was sind die Ursachen, dass die Mitarbeitenden der Gemeinde ihre Beziehungen fast schon lieblos einschätzen? Wieso fällt es so schwer, Wertschätzung und Anerkennung auszudrücken? Warum erleben so viele in der Gemeinde, dass Menschen verbittert sind?

Wie der Bluttest beim Arzt stellt auch das NGE-Gemeindeprofil Auswirkungen dar. Ehe man in die Schritteplanung eintritt, gilt es die Ursachen zu erkunden. Dabei ist es nicht wichtig, dass alle im Team einer Meinung sind. Vieles, gerade wenn es die Beziehungen untereinander betrifft, wird unterschiedlich eingeschätzt. Hier hilft das NGE-Gemeindeprofil einzelne Stimmen einzuordnen und zu wichten.

Die Not in der Gemeinde war groß. Schnell fingen erste Teilnehmer in der Runde an zu erzählen, wie sie ihren Gemeindekreis erleben, dass es der Leitung schwer fällt Konflikte zu lösen und Entscheidungen zu treffen. Einige versuchten das Statement zu relativieren, es sei nicht so schlimm, ein Einzelfall … Andere fingen sofort an, Lösungen vorzuschlagen. Ich ermutigte, die Unterschiede stehen zu lassen und appellierte, mir zu vertrauen, dass ich die Dinge schon richtig verstehe. Mit der Zeit gelang es immer besser aufeinander zu hören, unterschiedliche Meinungen stehen zu lassen und die zunächst abstrakten Diagramme des NGE-Gemeindeprofils mit Begebenheiten, Problemen aber auch positiven Erlebnissen zu illustrieren. Benannte Lösungen wurden verworfen, andere Ideen konkretisiert. Immer mehr nahmen die nächsten Schritte Konturen an. Konkrete Anleitung geben, wie “Konflikte gelöst und Beziehungen liebevoll gestaltet werden können” war einer der wenigen Punkte, die es vom ersten Brainstorming bis zu Liste der nächsten Schritte geschafft haben.

Dieser Prozess der “Anamnese” wurde zu einem Prozess der Motivation. Das Verstehen und Anerkennen der Situation schaffte die Voraussetzung, dass man später auch gemeinsam an der Umsetzung der Schritte arbeiten konnte.

So wurden nun keine  “Therapievorschläge” mehr aus einem Buch abgeschrieben. Vielmehr kam das KnowHow der Gruppe zusammen. Ich erinnere mich an eine Frau, die sich sehr engagiert einbrachte. Sie ist professionell mit Konfliktlösungen beschäftigt, fand aber bisher keinen Weg, ihr Wissen in die Gemeinde hilfreich einzubringen.

Am Ende des Abends war die “Therapie” formuliert. Wie schon in anderen Details hat die Metapher aus der Medizin viele Grenzen. So wird es in der Gemeinde immer weniger der Fachmann sein, der aufgrund seines Wissens den Therapieplan vorschlägt, damit der Patient “Gemeinde” gesundet. Vielmehr geht es darum, dass die Gemeindeglieder mit Gott und miteinander in Dialog treten, um gemeinsam zu kreativen – also inspirierten – Lösungen zu kommen. Als ortsfremder Mitarbeiter komme ich nicht als der Wissende, sondern viel mehr als der Moderierende. Ich helfe, dass die Gespräche zu einem konstruktiven Dialog werden, unterstütze die Formulierung konkreter Schritte und Ziele.

Die Metapher trifft aber auch nur selten in dem Sinne zu, dass Gemeinden krank sind und einen Arzt benötigen. In den meisten Gemeinden erlebe ich Vitalität, Dynamik und Kreativität: also das Wirken des Geistes Gottes. Dann gilt das Bild vom Fitnesstrainer. Aber bitte kein Trainingsprogramm ohne genaue Diagnose, Gespräch mit dem Trainee und einem ganzheitlichen Blick auf die Ausgangssituation.


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Herausgeber:

Verein für Natürliche Gemeindeentwicklung e.V. 

Geschäftsstelle:
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E-Mail: buero@nge-verein.de

ViSdPR: Pfn. Birgit  Dierks (Vorstand)

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